Gelsenkirchen-Hassel, Herten Westerholt/Bertlich
Die Ende 2008 erfolgte Schließung der Zeche Westerholt, gelegen auf der Stadtgrenze Gelsenkirchen/Herten, war für Gelsenkirchen und Herten der Anlass, das integrierte Stadterneuerungsprogramm interkommunal zu erarbeiten und auch die Revitalisierung und Entwicklung der Industriefläche der ehemaligen Zeche Westerholt gemeinsam zu betreiben. Das Stadterneuerungsgebiet umfasst den Gelsenkirchener Stadtteil Hassel, Teile von Buer und die Hertener Stadtteile Westerholt und Bertlich. Insgesamt leben rund 34.000 Menschen im 1.500 ha großen Projektgebiet.
Die großen industriellen Brachflächen insbesondere auf Gelsenkirchener Stadtgebiet bieten Chancen für neue Folgenutzungen und neue attraktive Anziehungspunkte. Durch eine bessere Verknüpfung mit den umgebenden Wohnquartieren wird sich auch die Freiraumqualität deutlich erhöhen.
Gelsenkirchen-Hassel
Hassel besteht im Wesentlichen aus einer der größten Gartenstadtsiedlungen des Ruhrgebiets. Daneben finden sich weitere in sich geschlossene Geschosswohnsiedlungen, v.a. aus den 1950er Jahren. Auffallend positiv wirkt die starke Durchgrünung der Wohnquartiere. Die Wohnsiedlungsbereiche mit ihren regional bedeutsamen städtebaulichen und architektonischen Qualitäten, ihren großzügigen Grün- und Freiflächen sowie ihrem preisgünstigen Angebot an Wohneigentum und Mietwohnungen sind ein herausstechendes Qualitätsmerkmal des Wohnstandortes Hassel.
Allerdings weist die Bebauung einen hohen energetischen Sanierungsbedarf auf. Zudem sind die Wohnungsgrößen und -zuschnitte nicht mehr zeitgemäß. Die ehemals einheitlich geprägte Siedlungsstruktur zerfällt und wird durch kleinteilige Erneuerungsmaßnahmen an den einzelnen Gebäuden überformt. Das Rückgrat und gleichzeitig die wichtigste Verkehrsachse des Stadtteils Hassel bildet die Polsumer Straße, die als zentraler Versorgungsbereich von Hassel fungiert. Die Wohn- und Geschäftshäuser entlang der vielbefahrenen Straße sind ebenfalls weitgehend erneuerungsbedürftig. Dementsprechend haben sich viele Leerstände und minderwertige Nutzungen ergeben.
Die öffentlichen Infrastruktureinrichtungen für die Bildungs- und Sozialangebote im Stadtteil sind auch in die Jahre gekommen und weisen vielfach einen großen Erneuerungsbedarf auf. Der Stadtteil hat einen sehr hohen Anteil an Kindern und Jugendlichen insgesamt, wobei der Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund überdurchschnittlich hoch ist. Es besteht ein ausgeprägter Handlungsbedarf in den Bereichen Bildung und Integration.
In der Außenwahrnehmung ist Hassel durch ein negatives Image geprägt. Bei vielen Bewohnern aus Gelsenkirchen steht das graue, triste Erscheinungsbild des ganzen Stadtteils heute noch als Synonym für die industrielle Herkunft. Positiv werden von Außenstehenden hingegen die Freiraumqualitäten des Stadtteils wahrgenommen. In der Innenwahrnehmung ist das Image deutlich positiver. Das positive Bild resultiert auch aus der großen Verbundenheit und Verwurzelung mit dem Stadtteil. Es gibt zahlreiche Vereine, enge Nachbarschafts- und andere sozialen Netzwerkbezüge.
Herten-Westerholt und -Bertlich
Auf Hertener Seite umfasst das Programmgebiet die beiden im Nordwesten der Stadt liegenden Stadtteile Westerholt und Bertlich mit rund 15.000 Einwohnern. Umgeben sind die Stadtteile im Wesentlichen von vorwiegend land- und forstwirtschaftlich genutztem Freiraum mit ausgeprägter Naherholungsfunktion.
Den historischen Kern von Westerholt bilden das Alte Dorf Westerholt, eine in sich geschlossene mittelalterliche Fachwerksiedlung, und das Schloss Westerholt. Die großflächigen Siedlungserweiterungen des Stadtteils Westerholt sind jedoch nicht vom Alten Dorf ausgegangen, sondern durch die Errichtung der Zeche Westerholt zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Die Stadtteile Westerholt und Bertlich haben sich bis etwa in die 1970er-Jahre kontinuierlich weiterentwickelt. Wohnsiedlungen unterschiedlicher Prägung und Entstehungszeiträume sind im Umfeld der Zeche und des Alten Dorfs entstanden.
Auch in Herten finden sich in weiten Teilen sehr bedeutsame jedoch auch stark sanierungsbedürftige Bergarbeitersiedlungen. Den funktionalen Schwerpunkt von Westerholt bildet heute das Nahversorgungszentrum Bahnhofstraße. In der Außenwahrnehmung sind Westerholt und Bertlich durch ein gesamtstädtisch eher positives Image geprägt. Insbesondere das Alte Dorf und die Freiraumqualitäten prägen dieses positive Bild. In der Innenwahrnehmung gibt es für die Bewohnerinnen und Bewohner von Westerholt verschiedene Identifikationspunkte. So fühlen sie sich nach wie vor als Westerholter und nicht als Hertener. Des Weiteren hat der vor dem Programmstart erfolgte Umbau der Bahnhofstraße zu einer ersten spürbaren Aufwertung im Stadtteil geführt.
Insbesondere im Hinblick auf die Bevölkerungs- und Sozialstruktur ist die Situation in Westerholt mit der in Hassel zu vergleichen. Ein großer Handlungsbedarf besteht hier v.a. für die Zielgruppe der Jugendlichen und der Senioren. Auch in Westerholt und Bertlich ist die Verbundenheit der Bewohner mit ihren Stadtteilen groß und es gibt ein vergleichsweise reges Vereinsleben.
Für die Entwicklung der Stadtteile sind die Aufwertung der räumlich-funktionalen Strukturen, die Stärkung der lokalen Ökonomie, von Bildung, Beschäftigung und Integration sowie Aspekte der energetischen Stadtsanierung Leitthemen des Interkommunalen Integrierten Handlungskonzeptes (IIHK). Die Aufwertung des öffentlichen Raums soll mit der Sanierung des privaten Gebäudebestandes und der Revitalisierung von Industriebrachen einhergehen. Die Lebensqualität für die Menschen und die Attraktivität der Stadtteile insgesamt sollen so verbessert werden.
Im Rahmen der Umsetzung des Interkommunalen Integrierten Handlungskonzeptes soll dies durch folgende gemeinsame Handlungsfelder und Zielsetzungen erreicht werden:
- Revitalisierung der altindustriellen Flächen durch Schaffung eines attraktiven Freiraums im Stadtteilpark auf dem ehemaligen Gelände der Kokerei Hassel und durch die Realisierung des Projektes „Neue Zeche Westerholt“ auf dem ehemaligen Zechengelände,
- Erneuerung des privaten Gebäudebestandes insbesondere im Hinblick auf die Belange der energetischen Stadtsanierung,
- Wirtschaftliche Stabilisierung und Revitalisierung der Stadtteile durch Sicherung der Nahversorgungsstrukturen,
- Schaffung qualitativ hochwertiger öffentlicher Freiräume für alle Generationen als Kommunikations-, Erholungs-, Spiel- und Bewegungsraum,
- Förderung der Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen und Ertüchtigung der sozialen Infrastruktureinrichtungen,
- Stärkung Akteurs- und Bewohner getragener Strukturen und des bürgerschaftlichen Engagements, u.a. auch durch die Bereitstellung und Ertüchtigung von geeigneten Räumlichkeiten.
Alle Fäden des Erneuerungsprozesses laufen im Stadtteilbüro und im Projektbüro Bergbaustandorte zusammen. Im Mai 2019 zogen die Teams der beiden Büros vom ehemaligen Verwaltungsgebäude in die sanierten Torhäuser der Neuen Zeche Westerholt um. Das Team des Stadtteilmanagements befasst sich schwerpunktmäßig mit den Themen „Planen und Bauen“, „Lokale Ökonomie“ sowie „Bildung und Soziales“. Das Stadtteilbüro dient auch als Anlaufstelle für alle Bürgerinnen und Bürger, die Fragen und Anregungen zur Umgestaltung der Stadtteile oder zur Gebäudesanierung haben. Im neuen Domizil „Torhaus 10“ können sich Interessierte in einer Dauerausstellung zum Stand des Stadterneuerungsprogramms, einzelner Stadterneuerungsprojekte sowie zu Fragen der Gebäudesanierung umfassend informieren. Im Veranstaltungsraum des Torhauses finden regelmäßig Veranstaltungen zu verschieden Stadterneuerungsthemen statt. Mit der Nachfolgenutzung des Zechenareals beschäftigt sich das interkommunal besetzte Projektbüro Bergbaustandorte gemeinsam mit Mitarbeitern der RAG Montan Immobilien GmbH. Das „Interkommunale Integrierte Handlungskonzept“ und Kooperationsverträge der Städte Gelsenkirchen und Herten bilden die Grundlage für die interkommunale Zusammenarbeit.
Die Programme Energetische Stadtsanierung und Nationale Projekte des Städtebaus waren bisher in den verschiedenen Phasen des Stadterneuerungsprojektes ergänzende Förderkulissen für das integrierte Stadterneuerungsprogramm. Energie einzusparen, Energieeffizienz zu steigern und den Ausstoß von Kohlendioxid zu senken sind wichtige Leitmotive für die Stadterneuerung. Die für die Stadtteile angefertigten Quartierskonzepte zur „Energetischen Stadtsanierung“, ebenfalls 2013 vom Rat der Städte beschlossen, sind Bestandteil der integrierten Stadterneuerungsstrategie. Für die Umsetzung standen von Ende 2014 bis 2018 ergänzende Mittel aus dem Bundesprogramm Nationale Projekte des Städtebaus zur Verfügung, die unter dem Titel „Energielabor Ruhr“ eingesetzt wurden.
Aus den gesamtstädtischen Präventionsstrategien der Städte Gelsenkirchen und Herten sind mit lokalen Akteuren und den Stadtverwaltungen seit 2014 stadtteilbezogene Projektansätze im sozial-integrativen Bereich entwickelt und über verschiedene Programme beantragt worden. Damit sollen die Baumaßnahmen der Städtebauförderung durch sozial-integrative Maßnahmen sinnvoll ergänzt werden.
Der Stadterneuerungsprozess wird von den Stadtverwaltungen Gelsenkirchen und Herten gemeinsam gesteuert. Zur Verabredung strategischer Entscheidungen wurde ein interkommunal besetzter Lenkungskreis gebildet, der bereits die Aufstellung des Interkommunalen Integrierten Handlungskonzeptes begleitet hat. Dieses Konzept wurde mehrmals fortgeschrieben und mündete in das Konzept für die Abschlussphase 2019-2024.
Der interkommunale Gebietsbeirat begleitet laufend die Stadtteilarbeit und entscheidet über die Vergabe von Mitteln aus dem Quartiersfonds, der zur Finanzierung von bürgerschaftlichen Projekten zur Verfügung steht. Er tagte erstmals im Dezember 2014, besetzt mit Bürgerinnen und Bürgern sowie politischen Vertreterinnen und Vertretern der drei Stadtteile. Die bürgerschaftlichen Mitglieder werden auf einer Stadtteilkonferenz für zwei Jahre gewählt und haben die Stimmenmehrheit im 26-köpfigen Gremium. Ende 2018 wurden die bürgerschaftlichen Vertreterinnen und Vertreter zum dritten Mal gewählt.
Stadt Gelsenkirchen
Referat Stadtplanung
Dipl.-Ing. Doris Kranich
Rathaus Buer
Goldbergstraße 12
45894 Gelsenkirchen
E-Mail: Doris.kranich@gelsenkirchen.de
Stadt Herten
Stadtentwicklungsamt
Lea Wember
Kurt-Schumacher-Straße 2
45699 Herten
Stadtteilbüro Hassel.Westerholt.Bertlich
Dirk Ruß
Egonstraße 10
45896 Gelsenkirchen